Kurs zur Klimaneutralität

Hoch hinaus! Wir sind mit Herrn Dr. Jörg Teupen, Vorstand Technik und Personal der Stadtwerke Kiel AG, unterwegs in Quarnbek, um mit ihm über den Kurs zur Klimaneutralität bei den Stadtwerken Kiel zu sprechen. Dr. Jörg Teupen ist begeisterter Rennradfahrer und hat sich gemeinsam mit Frank Meier, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Kiel, der Energiewende und dem Klimaschutz im Norden, speziell in Kiel, verschrieben. Mit dem Rad erkunden wir die Windkrafträder von Quarnbek – die umweltfreundliche Fortbewegung schlägt den Bogen zum nachhaltigen Engagement für die Region – so ist es unter anderem das erklärte Ziel der Kieler Stadtwerke, bereits 2035 klimaneutral Strom und Fernwärme zu erzeugen. Die Stadtwerke Kiel sind für den ganzheitlichen Blick in Richtung Zukunft und ein lebenswertes Morgen gut aufgestellt – mehr zum Nachhaltigkeitsmanagement und zu Mythen der Windkraft erfahren wir am Fuße eines riesigen Windrades.

Robert im Interview mit Dr. Jörg Teupen

Herr Dr. Teupen, wir würden gern die These widerlegen, dass wir mit erneuerbaren Energien die Landschaft verschandeln. Ist das wirklich so? Was denken Sie darüber?

Wir müssen uns an dieser Stelle die Frage stellen: Was ist die Alternative? Wir brauchen eine Lösung für die Energiewende und für den Klimaschutz – ich denke, da ist es zumutbar, wenn in grünen Landschaften Windparks aufgestellt werden. Der optische Eindruck ist nicht so gewaltig, als dass Betrachtende sagen würden: Man sieht nichts mehr von der Natur. Die Windkrafträder fügen sich meiner Meinung nach schon sehr gut in die Landschaft ein – es muss lediglich gut geplant werden, dass Windparks dort entstehen, wo sie sich am verträglichsten ins Landschaftsbild einfügen. Zudem bedarf das Aufstellen dieser Windparks ein sehr aufwändiges Genehmigungsverfahren – bevor es so weit ist, werden viele Punkte analysiert. Unter anderem wird zum Beispiel geschaut, ob von dem Schlagschatten, den die Windkrafträder erzeugen, eine Beeinträchtigung für die Bevölkerung, die dauerhaft im Umkreis wohnt, ausgeht.

Gibt es in Schleswig-Holstein die 10H-Regelung zur Aufstellung von Windkraftanlagen und wie ist die Entscheidung dafür oder dagegen begründet?

Konkret besagt die 10H-Regel, dass der Abstand eines Windrads zur nächsten Siedlung oder Bebauung mindestens zehnmal so groß sein muss, wie das Windrad hoch ist. Eine solche Regelung gibt es in Schleswig-Holstein nicht. Die 10H-Regelung sorgt dafür, dass viele interessante Windvorrangflächen, die gut für die Windkraft geeignet wären, nicht für die Energiewende genutzt werden können – da hat sich die Politik in Schleswig-Holstein anders entschieden und setzt stattdessen auf mehr Dynamik in der Windkraft. Schleswig-Holstein prüft stattdessen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Auswirkung zum Beispiel des Schlagschattens etc. Theoretisch ist es in Schleswig-Holstein einfacher, Windkrafträder aufzustellen als in anderen Bundesländern. Allerdings wird sich durch die Vorgabe vom Bund der Druck in den anderen Bundesländern erhöhen, denn zwei Prozent der jeweiligen Landesfläche sind für die Errichtung von Windkraftanlagen auszuweisen. Dadurch wird zum Beispiel in Bayern massiver Druck entstehen, entsprechende Flächen zu finden.

Fläche ist das Stichwort: Es wird oft kritisiert, dass für erneuerbare Energien sehr viel Fläche benötigt wird. Ist dieser Kritikpunkt berechtigt?

Zwei Prozent der Landesfläche hört sich wenig und gleichzeitig viel an. Wir müssen diese Werte ins Verhältnis setzen und uns fragen: Was bedeuten zwei, drei Prozent an anderer Stelle? Drei Prozent der Fläche der Bundesrepublik Deutschland ist belegt mit Straßen – an dieser Stelle spricht niemand davon, dass diese Straßen unzumutbar für das Landschaftsbild sind. Insofern denke ich, dass wir mit den zwei Prozent in Deutschland gut leben können. In der Abwägung der unterschiedlichen Interessen lässt sich diese Zahl einfach gut darstellen.

Wir befinden uns gerade in Quarnbek und sind ehrlich gesagt sehr beeindruckt – können Sie uns ein paar Daten zu dem verraten, was vor uns steht?

Wir haben eine Windkraftanlage vor uns mit einer Nabenhöhe von 150 Metern. Diese besitzt eine Leistung von 3,2 Megawatt pro Windkraftanlage – Megawatt ist die physikalische Größe zur Beschreibung der Leistung. Dann muss geschaut werden: Wie viele Vollbenutzungsstunden schafft die Windkraft in Deutschland? Im Onshore-Bereich für Nord-Deutschland sind das ca. 2000 Vollbenutzungsstunden – wenn ich diese mit 3,2 Megawatt multipliziere, habe ich die Energie, die pro Jahr durch das Windrad in das öffentliche Netz eingespeist wird. Eigentlich hört man die Windkraftanlagen recht wenig, obwohl die Geschwindigkeit der Flügelspitzen enorm hoch ist.

Die Stadtwerke Kiel treiben die Energiewende weiter voran und planen, Strom und Fernwärme spätestens im Jahr 2035 vollständig klimaneutral zu erzeugen. Dieser Kurs ist in einem 8-Punkte-Plan festgehalten, in den viel investiert wird. An welchem Punkt befinden Sie sich aktuell?

Im 8-Punkte-Plan sind drei Kernelemente verankert, die wir planen. Ein Kernelement ist die Großwärmepumpen-Technologie mit Meerwasser-Wärmepumpen an der Kieler Förde. Das zweite Element ist die Tiefengeothermie in 2000 bis 2500 Metern Tiefe. Das dritte Element ist die Umstellung unseres Küstenkraftwerks von Erdgas auf Wasserstoff. Wir planen aktuell für die erste Stufe und befinden uns derzeit im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren für die erste Großwärmepumpe, die wir 2028 in Betrieb nehmen wollen. 2030 soll dann die Geothermie folgen, 2032 ist die zweite Großwärmepumpe geplant und für 2035 planen wir die Umstellung des Küstenkraftwerks auf Wasserstoff. Das ganze Dekarbonisierungskonzept ist in den Kontext “Windkraft” eingegliedert, in dem wir mit unserer Tochtergesellschaft Solventus 200 Megawatt Wind- und PV-Leistung bis 2030 installieren. Es gibt viele interessante Aufgaben, die die Energiewende mit sich bringt, sowohl im Handwerk als auch im akademischen Bereich – allein, wenn ich mir vorstelle, wie viele Handwerkerinnen und Handwerker durch das Umrüsten des Gebäudeenergiegesetzes benötigt werden. Diese Aufgaben werden sinnstiftend für die Zukunft der Menschheit sein. Der Purpose unserer Arbeit wird immer wichtiger, indem wir etwas tun, was uns hilft, diesen Planeten zu retten und damit eine Zukunftstechnologie zu entwickeln und voranzutreiben, die wir dringend benötigen – da sehe ich besonders uns als Stadtwerke oder Energieversorger in einer zentralen Rolle.

Das klingt für uns nach vielen neuen Stellenausschreibungen und Förderungen von Ausbildungen, die mit dieser Zukunftstechnologie und neuen Gesetzgebungen einhergehen. Wie fördern die Stadtwerke Kiel diese Entwicklung?

Wir machen uns viele Gedanken darüber, wie wir die Ausbildungen inhaltlich neu justieren, um für die neuen Aufgaben und Tätigkeiten, die bei uns ausgeführt werden, zielgerichtet zu qualifizieren. Elektrikerinnen und Elektriker ziehen heutzutage nicht nur Strippen, sondern müssen zum Beispiel auch programmieren können. Diese ständige Weiterbildung, Ausbildung und Anpassung an neue Technologien ist eine wichtige und zentrale Aufgabe für eine gute Ausbildung. Wir suchen jederzeit neue Auszubildende und bieten viele neue Stellen für Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Facharbeiterinnen und Facharbeiter – ein Blick auf unsere Homepage lohnt sich.

Wenn wir uns in sechs Jahren wieder in Quarnbek am Fuße des Windkraftwerks treffen – wo stehen die Stadtwerke Kiel dann?

Ziel ist es, dass wir die erste Großwärmepumpe am Netz haben und das erste Geothermieprojekt kurz vor der Realisierung steht; wir befinden uns bereits in den ersten Vorplanungen zur Umrüstung des Küstenkraftwerks auf Wasserstoff. Jetzt, wo die Energiewende im Keller angekommen ist – Stichwort Gebäudeenergiegesetz –, entsteht viel Unsicherheit in der Bevölkerung, weil sich die Energiewende plötzlich im direkten Nahbereich abspielt. Wir kommen an einen Punkt: Niemand stört sich an Windkraftanlagen, so lange sie nicht am eigenen Gartentor gebaut werden. Diesen gesellschaftlichen Prozess müssen wir deutlicher steuern und darauf hinweisen, dass kein Weg daran vorbei führt. Wir müssen einen Grundkonsens finden und alle dabei mitnehmen.

Vielen Dank, Herr Dr. Teupen.

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