Fahrradtourismus mit absolutGPS

Wir treffen Tilman Sobek, Gründer und Geschäftsführer von absolutGPS, um mit ihm über die Entwicklung des sächsischen Fahrradtourismus zu sprechen. Er sagt selbst: “Sachsen hat für Rad-Entdeckertouren auf nicht asphaltierten Strecken unglaublich viel zu bieten! Die Verbindung von unberührter Natur und Kulturraum ist meiner Meinung nach in Sachsen so naheliegend. Mein Geheimtipp: Alles, was man mit dem Rad entlang der Mulde entdecken kann, ist zum Beispiel auch gut mit einem Kajak oder einem Paddelboot erlebbar.”

Robert im Interview mit Tilman Sobek, Gründer und Geschäftsführer von absolutGPS

Hallo Tilman, stell dich doch bitte kurz vor.

Ich bin Urleipziger und bin in den 80ern bereits meine ersten Trails gefahren. Während meines Management-Studiums und Tätigkeiten als Front-End-Designer habe ich oft an meine Outdoor-Liebe gedacht und schlussendlich das Technische mit Outdoor-Plattformen verbunden. Dann hat sich die heutige absolutGPS-Crew kennengelernt und wir haben uns voll auf den Langsamverkehr, wie man fachsprachlich sagen würde, konzentriert. Das heißt: Mountainbiking, Wandern, Rennradfahren und wie man verbindend gute Erlebnisse schaffen kann. Dafür wollen wir Destinationen so vorbereiten, dass es für die Einheimischen cool ist, aber auch Gäste sich gut zurechtfinden.

Was steckt hinter absolutGPS? 

Wir führen für Bundesländer radtouristische Studien, Controllings und Monitorings durch. Daten wie Erfolg oder Qualität von Routen oder Besucher*innenströme werden gemessen, da diese auch eine Basis für politische Arbeit sind. Darüber hinaus machen wir viel Imagewerbung und Produktentwicklung. Das haben wir uns mit einem sehr interdisziplinären Team auf die Fahnen geschrieben. Wir haben touristische Dauerbrenner, wie Stoneman und die Blockline entwickelt und begleiten diese – wertorientierte Destinationsentwicklung nennen wir das. Es gibt zwar die großen Tourismus-Beratungsfirmen, aber niemand ist so stark auf das Thema Natur und Outdoor spezialisiert. Wir wollen dabei sein, wenn unsere Ideen verwirklicht werden und in den Regionen Früchte tragen. Diese Babys weiter zu betreuen und zu voller Blüte zu bringen, ist unsere Aufgabe.

Gibt es da ein ganz repräsentatives Projekt, das ihr von Beginn an betreut?

Der Klassiker ist natürlich die Blockline, das Bike- und Gravel-Abenteuer im Erzgebirge. Die Blockline war eine Herausforderung, weil dort eigentlich ein Stoneman gewünscht war, allerdings gibt es das Stoneman-Konzept nur einen pro Land. Die Blockline ist jetzt seit drei Jahren am Markt, mit der Entwicklung beschäftigt sind wir allerdings schon seit sieben Jahren. Trotzdem würde ich sagen, dass die Strecke immer noch total am Anfang steht. Aber das Potenzial ist da!

Wie ist Sachsen im bundesweiten Vergleich bei dem Thema Fahrradtourismus aufgestellt?

Sachsen steht relativ am Anfang. Wir hatten lange den Wettbewerbsnachteil, dass unser Bundesland viele Mittelgebirge aufweist. Vor E-Bike-Zeit galten solche Kulissen nicht als klassisches Radgebiet. Das verändert sich gerade sehr stark. In Sachsen hat es sehr lange gedauert, das Thema Radtourismus überhaupt anzugehen. Aus meiner Sicht hat das aber einen großen Vorteil: Wenn wir die klassischen Radgebiete wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern betrachten, dann können wir viel aus den Fehlern lernen, die in diesen Pioniergebieten gemacht wurden. Wir sind jetzt –ähnlich wie auch das im Allgäu – an dem Punkt, dass wir aus zwei Generationen Radtourismus anderer Orte lernen können. Ich bin ein großer Freund von Ideen, die Aktivtourismus und Kulturtourismus zusammenbringen. Diese Segmente müssen miteinander verzahnt werden, weil wir als Menschen auch so vielfältig sind. 

Glaubst du, dass ein gut entwickelter Fahrradtourismus auch einen positiven Effekt auf die generelle Radinfrastrukturentwicklung hat?

Total. Wir haben eine ganze Zeit lang selber gedacht, dass das Thema Fahrrad jetzt wichtiger wird und damit verbunden auch die Frage nach Alltagskonzepten, die dadurch viel einfacher werden. Verkehrsplanung ist jedoch eine ganz andere Welt, fast schon logistisch. Was wir Touristiker*innen und Gastgeber*innen können, ist, dass Menschen sich in einer fremden Region wohlfühlen. Ich denke, das ist eine Perspektive, die wir einbringen können, weil das Thema Radfahren bis heute von vielen Leuten mit großer Vorsicht und z. T. auch Angst bezüglich ihrer Sicherheit betrachtet wird. Die nächste Generation Radfahrende kriegen wir bei der Mobilitätswende nur dann aufs Rad, wenn wir eine Wohlfühlatmosphäre aufbauen. Es reicht nicht, entlang der Bundesstraße ein paar tolle neue Asphaltbänder zu bauen. 

Ist es über den Tourismus leichter, Zugang zum Land zu finden, als mit der städtischen Verkehrspolitik?

Zuerst ist Tourismus Wirtschaftsförderung. Er sorgt für unglaublich viele Arbeitsplätze: in Sachsen für rund 200.000 Stellen und zudem für Strukturstärkung gerade im ländlichen Raum. Dazu habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass viele tolle, progressive und lösungsorientierte Menschen im Bereich Tourismus arbeiten.

Wird sich der Radtourismus aus deiner Sicht schneller als die Verkehrswende entwickeln?

Der entwickelt sich insofern schneller, als dass in der Pandemie mehr Leute eingestiegen sind – trotzdem gibt es aber eine natürliche Grenze. Die Leute, die Fahrrad fahren, sind circa die Hälfte der Gesellschaft. Diejenigen, die richtigen Fahrradtourismus erleben wollen, sind noch deutlich weniger Menschen. Für uns zählen auch Tagesausflügler*innen dazu, aber das echte Reisen über mehrere Tage mit dem Rad ist bisher für weniger Menschen deutschlandweit denkbar. Ich glaube, dass sich die Fahrradkultur in der Gesellschaft einprägt und unser Bewegungsverhalten wieder verlangsamt. Es kommen neue Generationen von Gästen und Kund*innen, die klimabewusster reisen wollen. Das Auto wird eine weniger herausragende Stellung haben.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen ein Bundesland steht, um zum Beispiel das Thema “Mountainbiking” hervorzuheben? 

Ich glaube, die generelle Herausforderung ist die ressortübergreifende Zusammenarbeit. Z. B. haben wir im Genehmigungsbereich Fälle, da sagen 17 Verantwortungsträger*innen “Ja” sagen und die 18. Person sagt alternativlos “Nein”. Ich denke da an manche Bürgermeister*innen in Sachsen, die seit 15 Jahren einen 500-Meter-Lückenschluss durchbringen wollen und scheitern. Da läuft etwas falsch. Solche Rückschläge demotiveren viele engagierte Menschen über die Jahre. 

Gibt es eine Region oder ein Land, das als Vorbild dienen könnte? 

Das ist ganz unterschiedlich zu betrachten, je nach Fahrradsegment. Wir brauchen unsere eigene sächsische Antwort auf diese Fragen. Es gibt Anleihen, die wir uns in Schottland nehmen können, in Mittelitalien passiert gerade im Bereich Radkultur und deren Integration ins Alltagsleben viel. Es lohnt, sich an ganz vielen Orten zu orientieren und zu schauen, was in unsere Region passt.

Was macht für dich die Identität des sächsischen Fahrradtourismus aus?

Er ist auf jeden Fall vielseitiger als gedacht, und ich glaube, wir stehen noch sehr am Anfang damit, rauszukitzeln, was der Charakter der Region ist und wie wir ihn vermitteln können. Entlang des Kamms ist z. B. das Vogtland deutlich anders ist als das Erzgebirge. Dann kommt schon die sächsische Schweiz usw. Da gibt es große Unterschiede, nicht nur in der Landschaft, sondern auch in der Architektur, im ganzen Kulturleben. Ich glaube, es ist wirklich gut, wenn wir das weiterhin mit den hiesigen Kulturerrungenschaften zusammendenken. Es ist auch mehr als nur Mountainbiking – für mich ist Mountainbiking so eine Begriffsart wie Wintersport, der ganz viele Dinge mit einschließt. Das Graveln ist da ein super Einstieg. Gerade in diesem Bereich: Rad-Entdeckertouren auf nicht asphaltierten Strecken hat Sachsen unglaublich viel zu bieten. Sachsen ist ein gut erschlossenes Land, man fährt relativ schnell wieder in das nächste Dorf. Die Verbindung von unberührter Natur und Kulturraum ist meiner Meinung nach in Sachsen so naheliegend. Mein Geheimtipp: Alles, was man mit dem Rad entlang der Mulde entdecken kann, ist zum Beispiel auch gut mit einem Kajak oder einem Paddelboot erlebbar.

Vielen Dank.

Zurück
Zurück

Für mehr Umweltschutz: Zero Emissions

Weiter
Weiter

„Es fehlt die Routine”