„Es fehlt die Routine”

Der Fuß- und Radverkehrsbeauftragte der Stadt Dortmund, Fabian Menke, hat eine Vision: Er möchte die Lebensqualität und Sicherheit für Fußgänger*innen sowie Radfahrer*innen signifikant verbessern. Ein Gespräch über die Zukunft der Mobilität in Dortmund, über realistische Ziele und Herausforderungen – und den Traum eines autofreien Innenstadt-Rings.

Robert im Interview mit Fabian Menke, Fuß- und Radverkehrsbeauftragter der Stadt Dortmund

Hallo Fabian, stell dich doch bitte mal kurz vor. Was heißt es, Fuß- und Radverkehrsbeauftragter der Stadt Dortmund zu sein?

Ich versuche bestmöglich in allen Bereichen und vor allem im Bestand der Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr das Maximum rauszuholen – ohne dass man überall den ganz großen Umbau vorantreibt.

Warum bist du für den Fuß- und Radverkehr verantwortlich? Sind das nicht zwei Paar Schuhe? 

Es wird schon separat gedacht im Sinne der Planung, oder auf die Maßnahmen bezogen, aber an vielen Stellen geht es auch miteinander einher. Manchmal kann man das gar nicht voneinander trennen, weil die Flächen meistens dieselben sind. Dann muss man schauen, wie man sowohl für Fußgänger*innen als auch für die Radfahrenden entsprechend das Beste rausholt. Es ist ganz häufig so, dass Flächen für den Radverkehr auch auf der Fahrbahn abgebildet werden können. Das ist nämlich genau so ein Punkt, wenn wir den Radverkehr auf die Fahrbahn verlagern, dann haben wir auf der anderen Seite auch etwas für die Fußgänger*innen

Nun haben wir von Verbesserungen für Fuß- und Radverkehr gesprochen und, dass es zusammen gedacht werden sollte. Wir haben uns bei den Touren durch Dortmund eine ganz andere Frage gestellt: Wieso stehen gefühlt auf jedem Fußweg parkende Autos? 

Gute Frage. Der fahrende Verkehr ist sicherlich nicht das Problem. Es ist tatsächlich der ruhende Verkehr, der durch die Autobesitzer*innen-Quote immer mehr zugenommen hat. Es ist ja ein bundesweiter Trend, dass die Zulassungsquoten steigen. Das ist gerade in den urbanen Gebieten einfach vollkommen konträr zu dem, was eigentlich sinnvoll und notwendig ist. Da gibt es andere Möglichkeiten, wie man auch mobil sein kann, wenn man jetzt nicht Fußgänger*in oder Radfahrer*in ist. Das Kernproblem ist, bei den Menschen ein Umdenken in den Kopf zu kriegen. Wir Deutsche können es uns leisten, ein oder mehrere Autos pro Haushalt zu haben. Und selbst wenn die Menschen es dann nicht benutzen, steht es trotzdem da und nimmt Platz ein. 

Also ist eine Neuaufteilung oder besser gesagt eine Umwidmung des urbanen Raumes erforderlich?

Ja, das ist absolut notwendig. Dadurch entsteht mehr Raum für andere Verkehrsformen und es erhöht sich automatisch die Aufenthalts- und Lebensqualität für andere. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt, wo wir leider noch einen sehr, sehr, sehr langen Weg vor uns haben.

Wir haben gestern den Satz gehört, dass viele Kleinigkeiten ein bisschen am großen Ganzen drehen können. Da reden wir zum Beispiel von Lückenschlüssen und bevorzugten Ampelschaltungen. Passiert da aktuell was?

Aus meiner Sicht passiert eine ganze Menge. Das sind oft ganz kleine, punktuelle Geschichten, die in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht so groß ins Gewicht fallen. Das kann an der einen Stelle mal eine Markierung sein; das kann an der anderen Stelle eine spezielle Ampelschaltung sein, damit Radfahrende schneller über die Kreuzung kommen. Die Bürger und Bürgerinnen nehmen das meist gar nicht wahr. Das merken wir auch daran, dass wir da gar kein Feedback bekommen, weder negatives noch positives. Das zeigt einfach, dass es zu funktionieren scheint, aber der große Jubelschrei ausbleibt. Hier am Vinckeplatz haben wir den Bordstein ein bisschen versetzt und dadurch die Fahrbahn breiter gemacht, um den Radverkehr halt gut abzubilden. Da hat es keine Resonanz darauf gegeben. Obwohl es ein Lückenschluss war, der vorher immer bemängelt wurde. Wir haben hier auf der Kreuzstraße und auf der Wittekindstraße weiter hinten Radverkehrsanlagen, und im zweiten Bereich dazwischen war einfach lange Zeit gar nichts. Das haben wir geändert und ich glaube, alle freuen sich darüber.

Laut “Masterplan Mobilität” soll sich der Radverkehrsanteil von zehn Prozent auf 20 Prozent verdoppeln – ist das überhaupt realistisch?

Eigentlich muss ich “Ja” sagen, aber das Problem sind wieder die Prozentzahlen. Ich wohne jetzt seit 15 Jahren in Dortmund, bin seit fünf Jahren bei der Stadt tätig und ich kann aus meiner Beobachtung sagen, dass sich der Radverkehr in dieser Zeit mehr als verdoppelt hat. Leider hat die Verkehrsmenge bei allen Verkehrsformen prozentual zugenommen und dadurch sind die Prozente im Modal Split (Anteil eines Verkehrsträgers am gesamten Verkehrsmarkt, Anm. d. Red.) für den Radverkehr bisher nicht wirklich sichtbar. Die Zahlen der Zählstellen belegen aber beispielsweise die Zunahme des Radverkehrs. Dort vermerken wir einen spürbaren Anstieg, aber können es im Modal Split nicht belegen. Wichtig ist generell, dass einfach viel mehr Leute Rad fahren und dafür hoffentlich das Auto stehen lassen, weil wir ja die Leute nicht aus dem ÖPNV rausholen oder am zu Fuß hindern gehen wollen. 

Also raus aus dem Auto und ab aufs Rad! Wie kriegt man das hin, ohne mit Verboten zu arbeiten?

Es sind mehrere Maßnahmen notwendig. Das eine ist, die Konzepte zu entwickeln, sie auf den Weg zu bringen und dann zum Beispiel attraktive, durchgehende und schnelle Verbindungen aus den Vororten in die Stadt zu haben. Unabhängig von diesen Premiumstrecken wie zum Beispiel den Velorouten, sind es vor allem die kleinen Maßnahmen im Netz, auf die es ankommt. Der Radweg soll nicht einfach irgendwo aufhören, sondern durchgängig sein. Das muss logisch und für jeden verständlich sein, sodass man intuitiv fahren kann. Das andere Thema ist weitaus größer: subjektive Sicherheit. Objektiv sind ganz viele Wege sicher und auch vernünftig angelegt. Selbst wenn man irgendwo einen Schutzstreifen hat, nehmen das leider viele Menschen als nicht sicher wahr. Zwar kann das für die Örtlichkeit die richtige Lösung sein, es gibt aber trotzdem viele Personen, die da nicht langfahren wollen, weil es ihnen zu gefährlich ist. Das hören wir von ganz vielen anderen Stellen in der Stadt. Dadurch trauen sich die Leute noch nicht, umzusteigen, obwohl es faktisch keinen richtigen Grund dafür gibt. Es ist jetzt auch nicht so, dass Autos per se die Leute über den Haufen fahren, aber es ist immer dieses Gefühl der Bedrohung da. Daran müssen wir arbeiten. Diese Dominanz des Autos muss weichen in ein wahrnehmbares Sicherheitsgefühl. Man schafft das sicherlich nicht mit Maßnahmen, die jetzt nur in der Bestandssituation sind. Dafür braucht es diese hohen Standards, in Form von Velorouten, Fahrradstraßen – also Wege, auf denen die Radfahrenden Vorrang haben. Die Menschen sollen merken, dass sie auf bestimmten Straßen fahren können und ein Sicherheitsgefühl dabei haben. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Faktor – es fehlt da leider oft die Routine. 

Kann man trotzdem sagen, dass Radfahren in Dortmund sicher ist? 

Ja! Ich bin jetzt seit 15 Jahren hier und mir ist noch kein Unfall passiert. Es hängt natürlich immer vom Verhalten der jeweiligen Verkehrsteilnehmer*innen ab. Wenn sich alle an die StVO halten, dann haben wir gar kein Problem.


Wenn du dir etwas für die Stadt wünschen könntest, was zu mehr Sicherheit und Stärkung des Radverkehrs führen kann, was wäre das?

Ja, da habe ich einen Wunsch: Autofrei innerhalb des Wallrings der Stadt. Wenn man das politisch durchsetzen würde, dann wäre das sogar in einem Jahr realistisch. Es muss nur gewollt sein.

Vielen Dank.


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