Der erste Aufschlag für das Kieler Ostufer

Gemeinsam mit der KielRegion GmbH erarbeitete die Landeshauptstadt Kiel ein Ostufer-Verkehrskonzept. Dessen Ziel ist es, die Verkehrssituation am Ostufer gemeinsam mit den Umlandgemeinden zu verbessern und es an das Westufer anzubinden. Wir sprechen mit Peter Bender, Leiter des Tiefbauamts Kiel, über den Nachholbedarf am Ostufer, geplante mittelfristige Baumaßnahmen, die Anbindung an die Veloroute 1 zwischen dem Kieler Nordosten und dem Nordwesten und die Vision für die kommenden Jahre.

Anne-Katrin und Lorenz im Interview mit Peter Bender, Leiter des Tiefbauamts Kiel

Wir treffen den Tiefbauamtsleiter Peter Bender im Alten Rathaus, um mit ihm über die Verkehrsentwicklung am Ostufer sowie das Ostufer-Verkehrskonzept zu sprechen.

Hallo Herr Bender, sie sind seit 2014 Leiter des Tiefbauamts, könnten Sie für unsere Leser*innen nochmal einordnen, wofür genau ihre Behörde zuständig ist?

Wir beherbergen hier die strategische Verkehrsplanung, die Maßnahmenplanung und dazu die Bauausführung. Wir kümmern uns um Kanal und Straße, das heißt, wenn eine Straße neu gebaut wird, sind wir wirklich von unten bis oben zuständig. Wir versuchen auch immer mit den übrigen Leistungsträgern, also zum Beispiel den Stadtwerken oder den Telekommunikationsunternehmen, Synergien zu schaffen, um so wirklich nachhaltig die Straßenzüge zu erneuern. Unser Amt beschäftigt etwa 400 Mitarbeiter*innen, davon sind circa die Hälfte in der Abteilung Betrieb und Unterhaltung tätig. Das sind zum einen die Menschen in Orange. Zum anderen haben wir dann auch noch die Leute in Blau. Sie sind die Zuständigen für Abwassertransport und –reinigung und betreiben das Klärwerk sowie die Pumpstationen. Das sind Schlosser*innen, Elektriker*innen, die sitzen dann im Klärwerk, bzw. wir haben eine riesengroße Pumpstation, wo das gesamte Abwasser, das südlich des Kanals anfällt, gesammelt wird und dann unter dem NordOstsee-Kanal hindurchgeführt wird und dann außerhalb der Stadtgrenzen in Bülk gereinigt in die Ostsee geleitet wird. Weiterhin haben wir noch eine kleine, aber feine Abteilung, die sich mit den Ingenieurbauten beschäftigt. Eine Stadt am Wasser hat da natürlich nochmal mehr Anforderungen. Der kommunale Teil des Hafens wird auch von uns betrieben. Das haben die wenigsten auf dem Schirm. Am meisten im öffentlichen Bewusstsein sind wahrscheinlich die Hochbrücken und die Kiellinie, wobei die Hochbrücken tatsächlich nicht von uns, sondern durch das Land betreut werden. Wie in anderen Städten auch, liegen die freien Strecken der Bundesstraßen im Zuständigkeitsbereich des Bundes. 

In der Ausgabe 7 widmen wir uns dem Thema Ostufer. Wir haben festgestellt, dass in Diskussionen oft der Eindruck einer gespaltenen Stadt entsteht, insbesondere in Bezug auf die Zugänglichkeit im Vergleich zum Westufer sowie hinsichtlich der Radinfrastruktur. Sind Sie der Meinung, dass es in diesem Bereich noch Verbesserungspotenzial gibt?

Damit sind wir auch immer wieder konfrontiert. Ich glaube aber, dass wir in allen etwa Stadtteilen gleich viel unterwegs sind. Einen gewissen Nachholbedarf kann man am Ostufer sicherlich konstatieren, allerdings ist in den letzten fünf Jahren unglaublich viel passiert. Und viele Dinge brauchen eben auch einen konzeptionellen Vorlauf, von der Planung bis hin zur Umsetzung kann sehr viel Zeit vergehen. Das ist am Westufer genauso, nur dass es da eher additive Maßnahmen sind: Es gibt schon eine Infrastruktur, die nach und nach verbessert oder ausgebaut wird. Da kann man gut das Gefühl bekommen, dass dort mehr passiert. In der Werftstraße am Ostufer haben wir gerade den ersten kleinen Abschnitt der Premium-Radroute zwischen Klausdorfer Weg und Franziusallee fertiggestellt. Man muss auch sagen, dass wegen des Ostufers viel beklagt wird, wir haben aber ein Sofortprogramm für den Radverkehr auf dem Ostufer aufgelegt, was aber nicht abgerufen wurde und wird. Da müssten dann von den jeweiligen Ortsbeiräten Vorschläge kommen. Es stehen jährlich 300 Tausend Euro für die Ortsbeiräte des Ostufers zur Verfügung, die für Sofortmaßnahmen genutzt werden können. Wie ich aber schon sagte, planen wir eine Straße von unten nach oben, das heißt, das Kopfsteinpflaster herausnehmen und neu asphaltieren, damit man da besser Fahrrad fahren kann, geht nicht so einfach, weil wir erstmal schauen müssen, wie die Kanäle unter der Straße beschaffen sind, ob die Stadtwerke für ihre Leitungen Bedarf sehen oder Glasfaser verlegt werden könnte und so weiter.

Was sind denn eine mögliche Sofortmaßnahmen?

Die Ausbesserung der schon bestehenden Radwege, die Befestigung von Wegen, neue Abstellmöglichkeiten. Solche Dinge können bautechnisch recht einfach ohne großen planerischen Vorlauf umgesetzt werden. Das kann sehr frustrierend sein, aber eine Straße zu erneuern, um sie dann in zwei Jahren wieder aufzureißen, ist weder nachhaltig, noch bekommt man dafür irgendwie Verständnis. Das Ostufer betreffend erstellen wir gerade mit der #KielRegion das Ostufer Verkehrskonzept, damit wir Kiel und die angrenzenden Gemeinden in ihrer Gesamtheit von Anfang an größer sehen und denken.

Gibt es mittelfristige Ansätze im Gespräch über das Verkehrskonzept für das Ostufer? Oder steht zuerst die Klärung an, welche Maßnahmen überhaupt erforderlich sind?

Nein, also natürlich geht es ganz viel darum, wie man Menschen vermehrt über die Förde bekommt. Das ist etwas, was wir schon als klaren Erfolg für das Ostufer betrachten sollten, und zwar dass die Fährverbindung F2 mittlerweile kostenlose Fahrradmitnahme ermöglicht. Die Fahrt kostet einen Euro und fährt mittlerweile auch samstags. 

Was sind weitere bauliche Maßnahmen, die am Ostufer und darüber hinaus noch angedacht sind?

Tatsächlich sind wir in zwei Förderprogrammen drin, einmal mit der Veloroute 1, das betrifft nicht nur die Werftstraße, sondern auch einzelne Fahrradzubringer: die Große Ziegelstraße zum einen und den Langenkampweg zum anderen. Das zieht sich dann einmal Richtung Wellingdorf und einmal Richtung Ellerbek. Dann haben wir noch den VeloCampus, das ist die Verbindung der beiden Hochschulstandorte CAU und FH. Dazu gehört dann auch noch die Verlängerung bis zum Strand Hasselfelde. Der gemeinsame Geh- und Radweg wird bis nächstes Jahr realisiert sein, dafür war auch eine ganze Menge erforderlich, da es ja teilweise über das alte Industriegebiet führt und die Gleise des alten Kohlekraftwerks zum Teil erst entwidmet werden mussten. Zum anderen ist der Eingriff in den Wald nicht ohne Weiteres möglich. Der planerische Vorlauf ist in der Regel größer als das bauliche Umsetzen. Mittelfristige Ziele innerhalb der Stadt sind zum Beispiel die Norddeutsche Straße hinter der Technischen Fakultät der CAU in Gaarden komplett als Fahrradstraße auszubauen. Ein ganz großes Thema ist ja derzeit in Kiel auch die Stadtbahnplanung, die an Hauptverkehrsadern teilweise keinen Platz für neue Radwege lassen wird, wo wir dann aber vorhaben, die Parallelstraßen mit in die Fahrradstraßenplanung mit einzubeziehen. Das soll alles so gut wie möglich schon vor der Stadtbahn fertig sein, damit die Infrastruktur schon besteht, wenn die Realisierung der Stadtbahn beginnt. Da wird in den nächsten drei, vier Jahren sehr viel passieren. 

Worauf können sich die Kieler Radfahrer*innen bezüglich der Veloroute 1 einstellen? Welche Streckenführung wird zukünftig zu erwarten sein?

Bestandteil des derzeit laufenden Projekts derr Veloroute 1 ist der Abschnitt von der Straße Zur Fähre, der Zufahrt zur Norwegenfähre, bis zum Klausdorfer Weg. Dort befindet sich auch der kleine Abschnitt, der bereits fertiggestellt ist. Dieser Abschnitt beschreibt ganz gut den Standard, der dann überall erwartet werden kann: Vier Meter breiter Radweg, den Fußweg haben wir etwas schmaler gestaltet, weil es nur am Werftgelände langläuft und es dort keine Schulen oder ähnliches gibt, die erschlossen werden müssen. Der Gehweg ist trotzdem noch 2 Meter breit, bzw. 1,70 Meter mit einem 30 cm Trennstreifen, die rein rechnerisch zum Gehweg gehören. Es verbleiben noch zwei überbreite Fahrspuren für den KFZ Verkehr, überbreit deshalb, weil die Werftstraße die Ausweichroute für die Schwertransporte ist. Es passiert zwar nicht so häufig, aber wenn mal so ein 110-Tonnen-Transformator vom oder zum Osthafen transportiert wird, dann brauchen wir diese Straße, weil die Brücken am Ostring dafür nicht gemacht sind, und die Werftstraße keine Brücken hat. 

Wird der weitere Streckenverlauf der Veloroute 1 so weitergeführt werden? 

Die Radverkehrsanlagen in der Schönberger Straße sind bereits ausgebaut worden. Auf der Werftstraße wurde die Stadtbahnplanung und die Veloroutenplanung komplett aufeinander abgestimmt, in der Schönberger Straße ist die Stadtbahnplanung aber noch gar nicht so weit, sodass es keinen Sinn ergibt erstmal die Veloroute auszubauen, um dann möglicherweise alles wieder einreißen zu müssen. Das Ziel ist aber, weiterhin eine vier Meter breite Zweirichtungsanlage auf der Wasserseite zu planen. Das ist das gesamte Konzept der Veloroute 1, also auch an der Kiellinie entlang um die Förde herum, wird das nach und nach umgesetzt. Das Ziel ist, dass alle geplanten Velorouten einen Premiumrouten-Standard aufweisen. Das ist auch die Netzhierarchie: Neben den zehn Velorouten werden wir natürlich noch weitere Haupt- und Nebenrouten ausbauen, die dann aber nicht diesen Standard erfüllen können, da das meistens gar nicht möglich ist. Eine Fahrradstraße kann zum Beispiel auch Bestandteil einer Veloroute sein, da dort die erforderliche Breite gegeben ist. Auch mindestens drei Meter breite, Kfz-fahrbahnparallele Radverkehrsanlagen, wenn sie nur in eine Richtung befahrbar sind, erfüllen den Premiumrouten-Standard. Wenn ein Abschnitt aber separat gebaut wird, dann wird er vier Meter breit sein und aus zwei Richtungen befahrbar sein. 

Was braucht Kiel aus Ihrer Sicht, um für die nächsten Jahre gut aufgestellt zu sein?

Ich glaube, wir brauchen – wie wir es bisher auch schon hatten – eine mutige Politik, die im besten Falle auch Rückgrat zeigt, da man bei der Umsetzung solcher Projekte durchaus auf Gegenwind stoßen kann, was sicherlich nicht immer leicht ist. Ich glaube, ansonsten sind wir sehr gut aufgestellt, die Grundstimmung ist gut. Ich denke, wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu sehr diesen Peripherie-Innenstadt-Konflikt fahren, dazu gehört auch so ein bisschen diese Ost-West-Spaltung. Wir haben einen Fußverkehrs-Preis für Wellingdorf bekommen – solche positiven Beispiele verändern nochmal die Stimmung gegenüber neuen Projekten. Man braucht solche positiven Beispiele, denn es erzeugt dann wieder neue Visionen, wenn die Menschen sehen, wie sich die Lebensqualität in einem Viertel durch solche Maßnahmen verändern kann, auch wenn dafür ein paar Parkplätze weggefallen sind. 

Vielen Dank.



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