Auf historischen Wegen im Binnenland
Wo vor 1.000 Jahren die Ochsen südwärts zogen, radelt man heute durch weite Marschlande, typisch norddeutsche Wiesen und Heidelandschaften, vorbei an Seen, ausgedehnten Moorgebieten und entlang von Flüssen: von Flensburg, Schleswig und Rendsburg bis an die Elbe in Wedel bei Hamburg, immer wieder vorbei an den Wahrzeichen der historischen Route, den gekreuzten Hörnern aus Eichenholz und Kupfer. Der rund 230 Kilometer lange Ochsenweg ('Hærvejen') war im 19. Jahrhundert der zentrale Landweg zwischen Dänemark und Norddeutschland – und zählt zu den ältesten Radfernwegen Schleswig-Holsteins. Heute bekommen Radfahrer*innen bei der Tour auf dem historischen Landweg einen Einblick in die Natur und Kulturhistorie Norddeutschlands und Dänemarks. Wir treffen den Tourismusbeauftragten der Stadt Neumünster, Arne Lewandowski, der uns auf eine gedankliche Reise auf dem historischen Ochsenweg mitnimmt.
Robert im Gespräch mit Arne Lewandowski
Lieber Arne, was verbirgt sich hinter dem Ochsenweg?
Der Ochsenweg ist eine historische Route, die genutzt wurde, um die Ochsen von den fetten Weiden in Dänemark quer durchs Land auf die Märkte zum Beispiel in Wedel zu treiben. In Dänemark heißt er auch “Heerweg”, weil diese Wege nicht nur für den Herdentrieb, sondern auch für die Verlagerung von Soldaten benutzt wurden. In Viborg, Dänemark, beginnend läuft er quer durch Schleswig-Holstein und bis über Wedel hinaus. Er verbindet somit also alle Gebietspartner des Schleswig-Holstein Binnenland Tourismus: das Grüne Binnenland, den Ostseefjord Schlei, Mittelholstein, Holstein, Neumünster und Segeberg. Aus touristischer Perspektive ist es spannend nachzuvollziehen, wie der Weg früher verlief. Am Wegesrand gibt es spannende Sehenswürdigkeiten zu entdecken, wie zum Beispiel das UNESCO Welterbe Danewerk, eine 30 Kilometer lange Wallanlage, die zu den ältesten archäologischen Zeugnissen der schleswig-holsteinischen Geschichte zählt. Oder auch das Rosarium in Uetersen, den Wildpark Eekholt bei Bad Bramstedt oder den Skulpturenpark in Neumünster. Natürlich konnte der exakte, historische Verlauf nicht ganz erhalten bleiben, da heute Straßen und Schienen auf der ehemaligen Trasse verlaufen. Zudem wurde auch überprüft, welche einzelnen Abschnitte gut mit dem Fahrrad befahrbar sind. An einigen historischen Wegabschnitten – wie hier in Neumünster – wurden große, aus Holz gefertigte Hörnerskulpturen aufgestellt. In Neumünster gibt es auch einige Spuren wie den Straßennamen Kuhberg, und es kreuzen zwei alte Handelsrouten: Der Ochsenweg und die Lübsche Trade, die die Handelsplätze an Nord- und Ostsee verband. An solchen Knotenpunkten fand früher der Handel statt, Siedlungen entstanden.
Wir befinden uns in Neumünster und der Ochsenweg läuft hier quer durch die Stadt. Welche Bedeutung hat er für die Stadt?
Zu den touristischen Highlights zählen aber auch das Designer Outlet mit zwei Millionen Gästen jährlich und die Holstenhallen, die ungefähr 800 Veranstaltungen im Jahr anbieten. Neumünster gilt als “Pferdestadt” und blickt auf eine jahrelange Tradition der Pferdezucht und des Turniersports zurück. Die Frage, die ich mir als Tourismusbeauftragter stelle: „Was bieten wir den Gästen an, die nach Schleswig-Holstein kommen, um Natur und Kultur zu erleben?“ Eine Antwort darauf ist der Ochsenweg. Der Radfernweg mitten durch Schleswig-Holstein und Neumünster ist eine tolle Möglichkeit, um die Natur zu genießen sowie Land, Historie und Leute kennenzulernen. Darüber hinaus gibt es in Neumünster weitere Rad-Rundtouren, die unser touristisches Angebot ergänzen. So können die Radler*innen die Region von hier aus entdecken, z. B. auf dem Vicelinweg. Er verläuft über Bordesholm, Preetz und Bornhöved zurück nach Neumünster. Insgesamt ist das Thema Radfahren für uns wichtig.
Aktuell wird der Ochsenweg dank eines Entwicklungsprojektes saniert und aufgewertet. In welchem Zustand befindet sich der Weg gerade?
Nach der Befahrung war klar, dass der Weg aktuell weder in den Bereichen der Wegequalität, noch in den Bereichen Angebot und Kommunikation die Anforderungen eines Qualitätsradroute erfüllt. All diese Bausteine optimieren die Projektpartner/-innen nun gemeinsam über drei Jahre. Für die Stadt Neumünster haben wir uns die Frage gestellt, an welchen Ecken wir ran müssen, und die nächste Frage war, inwiefern das möglich ist. Kritisch gesehen wurde zum Beispiel das Kopfsteinpflaster auf dem Großflecken – dieser Mangel wurde inzwischen behoben. Es gibt noch weitere Probleme, zum Beispiel das Kopfsteinpflaster bei der Vicelinkirche. Teile der Strecke verlaufen im Süden in einem Landschaftsschutzgebiet, hier fahren wir mitten in der Natur, der Weg ist durch z. B. Baumwurzeln etwas holprig. Da müssen wir noch Lösungen suchen, ggf. eine alternative Route vorsehen, um die Zertifizierung zur Qualitätsrouten tatsächlich hinzubekommen. Eine Verlegung ist bereits vorgesehen: Statt entlang der Wrangelstraße möchten wir die Route auf dem neuen Schwale-Wanderweg entlangführen, der viel interessanter und besser zu befahren. Also wir hoffen, die Knackpunkte beheben oder umgehen zu können und einen Kompromiss zwischen interessanten Storytelling und gut befahrbaren Wegen zu schaffen – das ist unser Anspruch.
Im letzten Jahr ist das Stück am Großflecken fertiggestellt worden. Wie wird der Ochsenweg von der Einheimischen wahrgenommen? Hat er in Neumünster auch eine gewisse Alltagsbedeutung?
Natürlich, diese historische Route verläuft mitten durch die Innenstadt, die Beschaffenheit und Befahrbarkeit vom Großflecken ist sehr relevant. Hier in der Innenstadt sind die Leute zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Kinderwagen unterwegs. Für Radfahrer*innen ist dies eine deutliche Verbesserung. Neumünster hat sich auf den Weg zur Fahrradstadt gemacht – der Modal Split ist relativ hoch: 24 Prozent der Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs. Wir, die Stadt, sind auch gerade dabei ein Mobilitätskonzept zu erstellen, indem der Fahrradverkehr eine zentrale Rolle einnimmt. Der touristische Radverkehr ist davon allerdings nur ein kleiner Teil, da es in dem Mobilitätskonzept eher um die Alltagsmobilität geht. Im Mai 2023 haben wir zum Beispiel erneut am #Stadtradeln teilgenommen und 216.286 Kilometer erradelt.
Zum Schluss noch zwei Fragen an dich: Wie wird sich der Ochsenweg in den kommenden Jahren entwickeln und wie lautet dein Wunsch für diese attraktive Fernroute?
Ich setze große Hoffnung darauf, dass wir mithilfe des Förderprojekts den Ochsenweg zur ersten Qualitätsroute in Schleswig-Holstein machen können. Das wird ein Meilenstein! Wir wollen zum einen diese Qualität auf der Route erreichen und zum anderen diese Qualität halten. Es geht ja nicht darum, mit einem Förderprojekt alles schick zu machen und dann das Projekt aus dem Fokus zu verlieren! Daher werden wir mit dem Umsetzungsmanagement auch nach der Projektlaufzeit aktiv bleiben. Große Erwartungen knüpfe ich auch an das Storytelling: Ich wünsche mir, dass wir den Ochsenweg hierdurch als touristisch interessanten Radfernweg etablieren können. Es gibt zahlreiche Radfernwege in Deutschland, mit denen wir um Sichtbarkeit konkurrieren. Aber da bin ich wie gesagt auch guter Dinge, wir haben gerade erst angefangen. Wir sind, was das Beheben von Mängeln angeht, auf einem guten Weg, jetzt ist nur noch die Frage, wie schnell wir sind, damit der ADFC diese Route zertifiziert. Ganz grundsätzlich ist für mich ein Problem, dass wir hier in Schleswig-Holstein sehr viele Spurplattenwege haben, die bei der Streckenbewertung nicht so gern gesehen werden, allerdings sehr typisch für unsere Region sind. Hierzu befinden sich das Projektmanagement und das Infrastrukturmanagement aber schon in einem Klärungsprozess.
Vielen Dank.