Die Wiege der deutschen Fahrradindustrie

Der Cycling Saxony e.V. ist der Interessenverband der sächsischen Fahrradbranche. Sein Ziel ist die Bündelung von Erfahrungen und Know-how aus Bereichen wie Handwerk, Industrie, Handel, Tourismus, Kultur, Sport, Forschung und weiterer Dienstleistungen. Damit sollen die sächsischen Unternehmen, Vereine und Forschungseinrichtungen unterstützt werden, die sich in dem Verein zusammengeschlossen haben, um die Radbranche zu stärken. Geführt wird der Verband von einem ehrenamtlichen Vorstand, den Roman Elsner, Markus Trappe und Sascha Menger aktuell bekleiden. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden und Gründer Roman Elsner über die Netzwerkarbeit des Verbandes und den Weg Sachsens zu einem der führenden Standorte der Fahrradwirtschaft in Europa.


Robert im Interview mit Roman Elsner

Hallo Roman, du bist Mitbegründer des Verbandes Cycling Saxony. Wer hatte die Idee, einen Verein zu gründen und, welche Meilensteine habt ihr bisher erreicht?

Auf der Eurobike-Messe 2017 in Friedrichshafen saßen einige Sachsen bei einem kühlen Getränk zusammen und wunderten sich, dass die Fahrradbranche innerhalb von Sachsen gar nicht vernetzt sei und man sich nur einmal im Jahr auf der Eurobike – am anderen Ende von Deutschland – treffe. Daraus entstand die Idee eines regelmäßigen Stammtischs, der dann 2019 zur Gründung des Verbands Cycling Saxony führte. Treibende Köpfe waren u.a. Christoph Süße von Sour Bicycles, Markus Trappe (selbstständiger Produktdesigner), Markus Weinberg von TransOst, Felix Wolf von Light Wolf Studio sowie Ingo Berbig von PiRope. Unser Hauptziel am Anfang war die Vernetzung der Akteure der sächsischen Fahrradbranche untereinander. Da sind wir auf jeden Fall schon sehr weit gekommen. Nach mehreren Netzwerkveranstaltungen habe ich das Gefühl, dass sich die Branche mittlerweile deutlich besser kennt. Aber Entwicklungspotenzial gibt es definitiv noch. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung der Außenwahrnehmung. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) hat uns dort enorm geholfen. Aktuell sind wir dabei, unsere Verbandsarbeit, die momentan komplett ehrenamtlich läuft, zu professionalisieren und eine finanzierte Stelle im Verein zu schaffen. 

 

Gib uns doch mal einen Einblick in das Fahrradland Sachsen! Sind wir das überhaupt? 

Den Claim „Fahrradland Sachsen“ würde ich aktuell eher als Ziel- und weniger als Ist-Zustand bezeichnen. Klar ist, Sachsen hat eine lebendige Fahrradindustrie, -kultur und auch -geschichte. Viele coole Firmen haben sich in den letzten Jahren hier neu gegründet und auch einige größere Unternehmen wie Diamant, Bike24 oder nextbike sind mittlerweile in Sachsen ansässig. Allerdings ist das Land im Vergleich beispielsweise zu Taiwan, Portugal oder den Niederlanden noch ein Branchen-Leichtgewicht. Das wollen wir ändern. Offizielle Zahlen zur Branche in Sachsen gibt es leider auch noch nicht. 

Sachsen ist also auf einem guten Weg zum Fahrradland. Wo geht die sächsische Reise hin? Wie leistungsfähig ist die sächsische Fahrradindustrie? An welchen Stellen muss noch nachgebessert werden?

 

Sachsen ist die Wiege der deutschen Fahrradindustrie. Nach der Wiedervereinigung ist leider viel von dieser Industrie verschwunden. Der sächsische Maschinenbau boomt allerdings seit der Wiedervereinigung. Viele produzierende Unternehmen sind nach wie vor Automobilzulieferer. Der bevorstehende Wandel in der Automobilbranche durch die Elektromobilität zwingt aber viele Zulieferer zu einer grundlegenden Umorientierung. Wir sind davon überzeugt, dass viele Unternehmen mit ihrem Know-how und ihrer Erfahrung Produkte für die Fahrrad- und Mikromobilitätsindustrie herstellen können. Die Unternehmen bei diesem Wandel zu begleiten, sehen wir daher als eine wichtige Aufgabe für uns, um Sachsen zum Fahrradland zu machen. 

 

Wie siehst du die aktuelle Entwicklung in Bezug auf Corona? Hat die Branche die Pandemie und ihre Auswirkungen gut überstanden?

 

Corona war ein Turbo für die Fahrradbranche! Noch nie ist der Sektor in so kurzer Zeit so schnell gewachsen. Neben einem enormen Boom wurde aber auch viel durcheinandergewirbelt, und die Branche musste sich erstmal neu sortieren. Viele Unternehmen haben kurzfristig versucht, Teile ihrer Fertigung nach Europa zu holen. Das Wachstum flacht nun langsam ab, und wir werden schauen müssen, wie es weitergeht. Für einige Komponenten erwarten wir noch Lieferverzögerungen bis 2024.

 

Kannst du uns eine Erfolgsgeschichte skizzieren? Kennst du ein oder zwei besondere Beispiele? 

Für mich sind BEAST Components aus Dresden und PiRope aus Chemnitz zwei der größten sächsischen Erfolgsgeschichten der letzten Jahre. Beide Firmen haben einen wissenschaftlichen Hintergrund im Leichtbau und beide haben es geschafft, dieses Know-how in einzigartige Produkte zu überführen, die vollständig in Sachsen gefertigt werden. BEAST entwickelt und produziert Carbon-Komponenten komplett am Standort in Dresden. Das Produkt von PiRope sind textile Speichen für unfassbare leichte und dennoch stabile Laufräder.

Wo wird die sächsische Fahrradindustrie 2030 stehen?

 

Unser Ziel ist es, dass man 2030 komplett in Sachsen gefertigte Bikes kaufen kann. Von der Schaltung über die Reifen bis zu den Bremsen. Wir sind schon auf einem guten Weg, aber müssen uns noch ganz schön strecken, um dieses Ziel zu erreichen. Aktuell sind wir besonders stark im Leichtbau und der Elektronik aufgestellt. Durch Innovationen in der Fertigung wollen wir die Produktion von Fernost zurück nach Europa und am besten zu uns nach Sachsen holen. Ich hoffe, dass Sachsen 2030 ein ähnlicher Begriff in der europäischer Fahrradindustrie sein wird wie Portugal heute.


Vielen Dank.


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