SOUR BICYCLES

Sachsen

26. Okt.

Stay sweet, ride sour!

von Anne-Katrin

Nach dem Motto “Nichts ist besser als eine verrückte und gleichzeitig innige Beziehung” entwerfen die Dresdner Fahrradenthusiast*innen von Sour Bicycles, ihre Stahlrahmen und Kompletträder. Seit 2020 gibt es die Fahrradmarke am Standort in Dresden und seitdem verkauft sie über Händler*innen sowie im Direktvertrieb ihre Bikes. Das Fahrrad ist seit über zwei Jahrzehnten ein fester Bestandteil im Leben des Sour-Teams. So auch von Christoph Süße, dem Kopf hinter Sour Bicyles. Die Geschichte der Sour Bikes begann bereits ein Jahr vor der Unternehmensgründung, als Christoph noch für die E-Bike-Marke Binova als Produktionstechniker arbeitete und die Rahmen für die Pedelec-Nachrüstantriebe anpassen sollte. In diesem Prozess entstanden in einem Nebenprojekt die ersten vier heute in Taiwan gefertigten Sour Bicycles-Rahmen: “Purple Haze”, “Clueless”, “Bad Granny” und “Crumble”. Bei der Berliner Fahrradschau 2018 präsentierte Christoph die neuen Modelle erstmals. Das Feedback war so gut, dass er auf der kolektif-Fahrradmesse im Folgejahr eine erweiterte Produktauswahl vorstellte und sich schließlich entschied, seine autarke Produktlinie eigenständig weiterzuführen und – der Kontrast zum Namen des Gründers lässt uns schmunzeln – Sour Bicycles zu gründen. Wann, wenn nicht jetzt?

Der waschechte Dresdner kann sich ein Leben ohne Fahrrad gar nicht mehr vorstellen, denn bereits mit 12 Jahren saß er zum ersten Mal im Sattel. BMX, Park, Rampe, Dirt waren die Anfänge. Vom Jugendweihegeld wurde das erste anständige Dirt Bike gekauft. „Danach war ich infiziert”, erzählt er und verschrieb sich der Geometrie des Fahrrads. Ziemlich schnell wurde ihm klar, dass ein Fahrrad nicht absolut High End, sondern funktionieren und haltbar sein muss. So kann man mit einer vergleichsweise geringen Investition das maximale Potenzial herausholen. Daraus entwickelte sich die heutige Firmenphilosophie – bezahlbare Qualität! “Das war von Anfang an ein fester Bestandteil unseres Konzepts. Wir machen Räder für alle, die persönliche Individualität mit ihrem Rad ausleben wollen. Wir kommen alle aus dem Skate- und BMX-Bereich, deshalb war es für uns besonders wichtig, dass das Produkt finanzierbar wird. Uns ist bewusst, dass wir auch alles super fancy hätten machen können, aber unser eigentliches Ziel war, dass man es sich leisten kann. Ebenso waren uns eine große Farbauswahl und Individualität wichtig. Farbe, Farbverlauf, Finish und Decals sollen allen Wünschen entsprechen. Unser Ziel ist ein solides, bezahlbares Rad, das Spaß macht, trotzdem individuell und mit gutem Gewissen produziert ist”, so das Team. Im März 2020 eröffnete der Showroom mit Werkstatt und Büro an der Königsbrücker Straße. Durch die kurze Entfernung zur sächsischen Schweiz, der tschechischen und polnischen Grenze sowie zum Erzgebirge hat Dresden ideale Ausgangsbedingungen für jegliche Arten des Radsports – sodass ein neues Sour Bike aus dem Showroom direkt auf dem richtigen „Spielplatz“ auf Herz und Nieren geprüft werden kann. Doch die Freude über den guten Start hält damals nur kurz an, denn direkt nach der Gründung schlittert das Unternehmen in die Achterbahnfahrt der Corona-Pandemie – die Fahrradbranche boomt, doch das Unternehmen gerät – wie viele Fahrradhersteller*innen in dieser Zeit – in Schwierigkeiten. Es kommt zu langen Lieferzeiten und vor allem erheblichen Lieferengpässen aufgrund der starken globalen Nachfrage. Glücklicherweise macht der Verkauf der Kompletträder, bei denen lange auf Komponenten gewartet werden muss, nur einen geringen Teil der Geschäftsaktivität von Sour Bicycles aus. Denn daneben verkauft Sour Rahmen-Sets mit Gabeln an Händler*innen, die individuelle Kompletträder für ihre Kunden bauen, und direkt an Endkund*innen, in diesem Fall oft Bastler*innen, die sich ihr Rad selbst zusammenstellen. “2021 war dann ein ganz angenehmes Jahr für uns. Aber 2022 ging es richtig los mit der Steigerung der Lieferkosten oder dem Warten auf einen Container seit März. In diesem Atemzug haben wir angefangen, über eine Fertigung in Deutschland nachzudenken”, so Flori vom Sour Bicycles-Team. Aufgrund der hohen Qualitätsstandards lässt die Fahrradmarke bis dahin ihre Rahmen in Taiwan fertigen. Entworfen, veredelt und montiert werden alle Rahmen und Kompletträder im Showroom im Herzen der Dresdner Neustadt. Doch ein großer zukunftsweisender Schritt bahnt sich im Sommer 2022 an, denn anstatt auf einen Container aus Übersee zu warten, will das Team nun verstärkt auf eine Produktionsmöglichkeit vor Ort setzen und nach Bedarf produzieren. Klingenthal im sächsischen Vogtlandkreis erweist sich als guter Standort für Sour Bicycles, um zu guten Konditionen ausreichend Lagerfläche sowie eine Produktionsstätte einzurichten – die in Zukunft sogar noch weiter ausgebaut werden soll.

Flori ist sichtlich stolz: “Wir haben alles beisammen: Maschinen und Tools, die wir benötigen. Wir kennen die Abläufe und es funktioniert! Die Idee war, erstmal nur ein Modell komplett in Deutschland zu fertigen, aber wir haben uns dann für den riesigen Schritt entschieden, gleich alle vier Mountainbikes aus unserem Sortiment zu produzieren.” Dieser mutige Schritt rettet das junge Unternehmen über den Sommer, sodass seit Juli kontinuierlich weiter produziert werden kann. “Wir hoffen natürlich trotzdem, dass jetzt wieder ein bisschen Normalität einkehrt, denn obwohl die Fahrradsparte während Corona einen Boom erlebt hat, gibt es viele kleine Händler*innen, die nichts davon haben, weil sie die zwei Jahre nicht überstanden haben”, so das Resümee aus den vergangenen Jahren. Doch der Mut des Sour-Teams zahlte sich aus! Zu schätzen weiß das Team von Christoph Süße nicht zuletzt vor allem seinen Standort: “Sachsen und gerade Dresden ist ein Ballungsraum für Fahrradkultur. Wir haben hier in der Umgebung alles da, was wir für ein Fahrrad brauchen, von CNC-Fräsung, Aluminium-Rahmenbau bis hin zu Beast Components usw. Es ist möglich, so gut wie alle Anbauteile zusammenzubekommen, nur an der Schaltung fehlt es derzeit noch, das ist die einzige Komponente, für die es noch keinen Hersteller in Sachsen gibt. Aus diesem Konstrukt ergibt sich ein cooles Netzwerk: Wir haben mit Beast Components zusammengearbeitet und kürzlich erst mit QVIST. Das können wir gut nutzen und uns dadurch gegenseitig unterstützen. In Zukunft wollen wir die Produktion sowie auch unsere Produktpalette in Deutschland weiter ausbauen”, so Sour Bicycles – und wir sind uns sicher, dass die nächsten Ideen für Prototypen bereits in ihren Köpfen umherschwirren. Der Traum vom sächsischen Fahrrad ist nicht mehr weit!